Biografie
1933 geboren in Mücheln (Geiseltal)
1952-1956 Studium der Kunstpädagogik am Institut für Kunsterziehung an der Humboldt-Universität zu Berlin
ab 1959 Assistenz bei Prof. Georg Stapel und eigene künstlerische Lehrtätigkeit ebd.
1966 externes Diplom für Malerei an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee bei Walter Womacka; Mitgliedschaft im Verband Bildender Künstler
1985 Berufung zum Dozenten mit künstlerischer Lehrtätigkeit am Institut für Kunsterziehung an der Humboldt-Universität zu Berlin
ab 1989 Leiter der Abteilung künstlerische Praxis ebd.
1994 Berufung zum Professor für Atelier/Malerei an der Hochschule der Künste Berlin
2021 gestorben in Berlin-Niederschönhausen
Ausstellungen
(soweit dokumentiert)
1967 Mücheln (Geiseltal)
1974 Klub der Kulturschaffenden, Berlin-Mitte
1977 Erhard Schmidt. Malerei & Grafik. Klubhaus „7 Raben“, Berlin-Köpenick
1981 Malerei und Grafik von Erhard Schmidt. Kommode am August-Bebel-Platz, Berlin [3]
1984 Erhard Schmidt – Malerei. Galerie am Prater, Berlin [4]
1998/1999 Erhard Schmidt – Malerei und Grafik. Brosehaus, Berlin-Niederschönhausen [5]
2000 Mücheln (Geiseltal)
2001/2002 “Erhard Schmidt – Malerei“ Musikschule Jablonskistraße, Berlin [6]
2003/2004 “Erhard Schmidt: Malerei und Zeichnung. Retrospektive zum 70. Geburtstag Musikschule Jablonskistraße, Berlin [6]
2013/2014 „Erhard Schmidt: Graphik und Malerei“ Musikschule Jablonskistraße, Berlin [6]
2024 Erhard Schmidt – Stillleben und Landschaften (Gedenkausstellung im Brosehaus Berlin-Niederschönhausen) [7]
Kopie einer Federzeichnung, 1997.
Titelblatt der Einladung zur Ausstellung "Vom Zeichnen",
2002, Musikschule Jablonskistr., Berlin
ehemaliges Institut für Kunsterziehung, Burgstr. 26, Berlin
Blick auf die Museumsinsel vom damaligen Institut für Kunsterziehung an der Humboldt-Universität zu Berlin, Burgstraße 26. Foto: Erhard Schmidt, wahrscheinlich 1965
Aquarell, 1965
Erhard Schmidt –
Künstler und Hochschullehrer zunächst an der Sektion Ästhetik und Kunstwissenschaften der HUB im geteilten Berlin – später für ihm anvertraute Studierende an der UdK ein einfühlsam agierender Meister, der als Professor auf die Ziele seiner Eleven einging, die er kannte. Dabei blieb er der beobachtende Maler, der die Wege wies, die dem Nachwuchs die Stolpersteine nach verinnerlichtem Lehrprinzip aus- oder einräumte, je nach Bedarf. In den 60er Jahren ausgebildet und in den 70er und 80ern sowie lange darüber hinaus tätig in der künstlerischen Ausbildung, vertrat er zwar kein Orchideenfach aber er repräsentierte ein Gebiet, das auffiel in seiner Kreativität und künstlerischen Ausstattung. Mit den Staffeleien, den Rahmen und Lithosteinen in den Regalen, mit seiner Ausstrahlung, dem Geruch nach frischer Farbe, dem Schwarz zum Drucken, mit anschaulichen Bildern an der auf wissenschaftliche Ergebnisse in Forschung und Lehre orientierten Humboldt-Universität zu Berlin existierte es als Terrain mit gewisser Exotik, die der Erinnerung bis heute anhaftet.
Erhard Schmidt war keiner der lautstark um Sensationen bemühten Künstler, deren exklusives Werk – zum Kult erhoben – bei superreichen Käufern ankommt. Er galt als still, introvertiert, zurückhaltend, ein Ästhet. Historischen Werken war er zugetan, wie lebenden Freunden, von denen man weiß, dass sie Zuwendung brauchen, dass es aber Freude, Vergnügen sein wird, wenn man gewährt, was ihnen gebührt.
E. Schmidt gehörte als Künstlerpersönlichkeit zu den „Altmeistern”, für die der Begriff Tradition kein Schimpfwort ist. Besonders zur Farbe hatte er eine innige Beziehung, deren Positionen und deren Wandel in der Kunst des 20. Jahrhunderts er kannte, den er anderen reflektierend bewusst machte, ohne Einfluss auf das eigene Farbkonzept zuzulassen. Er konstatierte und akzeptierte nach der hundertmal totgesagten Malerei deren Boom, der in der Faszination der Malerei der Neuen Wilden am Ende des 20. Jahrhunderts seinen Ausdruck fand.
Mitstreiter von Erhard Schmidt begleiteten ihn schon während seiner Studienzeit bei Prof. Georg Stapel und als Kollegen während der späteren Tätigkeit, die in den 70er und 80er Jahren mit Prof. Dr. Gerenot Richter, einem herausragenden Grafiker, mit den Dozenten Johannes Prusko, Norbert Weinke, Barbara Müller-Kageler, Gert Hillich eine Kontinuität aufwies, die angedauert hatte, die mit Wolfgang Schmidt – zuständig für Tonnen von feuchtem Ton – und Dieter Kunth, verantwortlich für Plakat und Schrift und mit anderen das abzugrenzende Gebiet der angewandten Bereiche erfasste.
Von Anfang an waren es Künstler, die der kunstpraktischen Lehre wesentliche Impulse vermitteln konnten. Wie sie setzte sich Erhard Schmidt für ein Profil mit starkem Praxisbezug ein, das in seinen Grundzügen erhalten blieb, selbst als eine 5-köpfige Gruppe junger Wissenschaftler mit der Entwicklung eines selbständigen Theoriefaches die von Wolfgang Frankenstein angelegte und theoretisch begründete Dreierstruktur verwirklichte.
Später stärkten Lehrbeauftragte das Profil, das zunehmender Pluralität der Kunst in der Gegenwart entsprach. Erfahrene Kollegen wie Erhard Schmidt unterstützten die experimentelle Auseinandersetzung mit pluralistischer Vielfalt der Formen und Erscheinungsweisen, wobei die Potenziale neuer Gestaltungspositionen bei ihm grundsätzlich mit seiner gestalterischen Haltung verbunden blieben.
Entwicklungen, die mit „Farbe in neuen Medien”, „Neue Materialien”, „Die Macht der Macher und des Marktes”, mit „Farblicht”, „Fluxus, Performance und Erzählstrukturen in Video und Comic” als aktuell favorisiert wurden, beachtete er ebenso wie neue Gestaltungskonzepte und Präsentationsformen in seinen Lehrveranstaltungen. Mit ihnen erweiterte er die Einsichten von Studierenden in aktuelle Kunstprozesse.
Wer eingeladen wurde in das Zuhause von Erhard Schmidt war überrascht. Den Besucher empfingen die schönsten Schmetterlinge Lateinamerikas, groß und farbig dekoriert auf den Tischen. Ein Schmuck, den E. Schmidt sich leistete, denn die Exemplare waren teuer. Die eher bescheidenen Möbel – zusammengedrängt auf den Platz, den sie unbedingt brauchten – um freie Fläche zu gewinnen für Produktion und Präsentation seiner Bilder. Diese dominierten in den Innenräumen, in denen Farbe und Form, Fläche und Raum der Gemälde sich als die bestimmenden Größen zeigten. Sie erzeugten eine Atmosphäre, in der die Gestaltung und die gekonnte Komposition der Bildelemente zusammenwirkten in Situationen, die mit Vertrautem das Besondere, Herausgehobene an die Betrachter herantrugen. Mit alltäglichen Objekten überwindet Erhard Schmidt in seinen Bildern die Banalität mancher Umgebung. Er lässt mit kleinen sinnerhellenden Kombinationen das Besondere hervortreten und zum gefeierten Erlebnis werden.
Erhard Schmidt war beliebt bei Studierenden, zu deren Generation er Zugang hatte in dem morbiden Dachgeschoss in der Burgstraße, das – jetzt saniert – der Theologischen Fakultät der HUB als Domizil mit unvergleichlichem Ausblick dient. Damals bot es die berühmte Berliner Museumsinsel als Draufblick, neben Dom, Palast, Himmel und Spreebrücke, die sich für künstlerische Studien aus der Vogelperspekive empfahlen.
Damals ausgestattet mit dem Charme des Schäbigen war der 5. Stock gesucht, besucht. Als fast geheimnisvoller Ort, aufgewertet durch seine jugendlichen Nutzer – ein buntes Völkchen, das unbeschwert über Mappen und Malmaterial, Cyclam, Zinnober, Neapelgelb und Preußischblau, über Kaltnadelradierung und Federfarbe debattierte, wurde er nicht nur für Erhard Schmidt zum Aussichtsplatz. Bilder, über deren Formfindung wir noch heute staunen, galten u. a. dem Eingang in das Sekretariat, gegenüber dem jugendstilumkleideten Fahrstuhl. Schmidts Fotos – direkt unter dem Himmel Berlins entstanden – wusste er für sich und die Studierenden zu nutzen.
Seine Haltung zur DDR bekundete er bei bestimmten Gelegenheiten. Den Kolleginnen trat er zum Frauentag mit Grafik und Blumen als guter Gewerkschafter gegenüber, ohne sich den Genossen anzuschließen, die an der Sektion Ästhetik und Kunstwissenschaften mit dem nötigen Maß an Kampfesgeist und Ironie auf der Linie blieben bis zum Schluss.
Ein angenehmer Kollege, der bisher zu wenig Beachtung fand im offiziellen Kunstbetrieb.
Wir wünschen seinem Werk die verdiente Verbreitung! Ich bin sicher, dass es Erfolg haben wird, denn seine Formensprache entspricht den Vorlieben des Publikums, das in der marktbestimmten Gegenwartskunst momentan wenig zu entscheiden hat. Was präsentiert wird, richtet sich – in der bildenden Kunst zumindest – nicht nach dessen Vorlieben, obwohl es doch das breite Publikum ist, das für Anerkennung sorgt und für die Einnahmen.
Wer seinem verinnerlichten Kunstmodell ohne Markteinfluss und ohne die Macht der Kuratoren vertraut, den wird die empfindsam aufgetragene Farbe in den kleinen und größeren Gemälden von Erhard Schmidt berühren.
Wir lieben sie, und wir halten sie für einen begehrenswerten Bestandteil der gegenwärtigen Kunst, mit der man leben möchte, und mit der es sich zu leben lohnt.
Prof. Dr. sc. phil. Marieluise Schaum
Berlin, den 02. 02. 2025
Blick ins Atelier zu Hause
Foto 1999
Im Flur vor dem Atelier. Ausschnitt eines Fotos von 1999.
Die beiden großen gerahmten Zeichnungen sind von Otto Göldner (Magister Portensis an der Landesschule Pforta bei Naumburg), der sein Kunstinteresse weckte und förderte.
Einzelnachweise
[1] Katalog der Kunstausstellung Malerei Grafik Plastik Berlin 1983. Magistrat von Berlin und Verband Bildender Künstler der DDR. Dort auf S. 64: Atelierstilleben, Öl auf Leinwand, 1982, 80 x 70. (Signatur auf Bild ist E. S. 83)
[2] Künstler unserer Universität (4). Erhard Schmidt. L. Bruchholz, HU Nr. 24, 1985/86.
[3] Einblick in einen Werdegang. Ausstellung Malerei und Grafik von Erhard Schmidt in der Pratergalerie. S. Sülflohn, Neue Zeit, 23. August 1984.
[4] Sanftes Spiel des Lichts. Malerei von Erhard Schmidt. W. Frankenstein, HU Nr. 35, 1980/81.
[5] Sonja Wüsten: Gedanke zu einer Ausstellung. Pankower Brücke, Januar 1999, S.12.
[6] Ausstellungen. https://www.instrumentalunterricht-und-kammermusik.de/termine.html
[7] Maler aus dem Kiez: In Erinnerung an Erhard Schmidt. Bernd Wähner, Berliner Woche, 1. Februar 2024
[8] 14. DDR-Emission 1980, 2. Ausgabe anlässlich der XXII. Olympischen Sommerspiele in Moskau. Sammlerexpress 6/1980, Transpress, Verlagspostamt Berlin.